Die geteilte Stadt – Berlin Fotos aus den 60ern

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Bernard Larsson fotografierte Politik, Pop und den Alltag in beiden Teilen der Mauerstadt. Seine Arbeiten sind nun in Berlin zu sehen

von Jana Sittnick                                                                                                                      18.08.2016

Die Mauer wächst wie ein Krebsgeschwür zwischen Hausfassaden, zerschneidet Straßenzüge und Familien, legt Stadtviertel lahm, Lebenspläne, Beziehungen. Die Ungeheuerlichkeit, mit der die Berliner Mauer von 1961 bis 1989 quer durch die Stadt verlief und doch auch zum Alltag gehörte, ist Thema der Ausstellung Leaving is Entering im Berliner Museum für Fotografie. Sie zeigt Arbeiten des deutschen Fotografen Bernard Larsson aus den Jahren 1961 – 1968, in denen Berlin eine zentrale Rolle spielt.

Larsson gelingt es, in seinen kargen, mit wenigen Bildmotiven auskommenden Schwarzweißaufnahmen vom Leben in der Mauerstadt zu erzählen. Man sieht die Menschen, wie sie leben und wimmeln, auf U-Bahnsteigen, vor Geschäften, in Ausflugslokalen. Männer und Frauen, junge und alte, elegant gekleidet und vom Elend gezeichnet, Kerle mit Hunden, Omas mit Kopftuch, alliierte Soldaten und spielende Kinder in Ost und West – eingebettet in die Ruinenkulisse der bombardierten Stadt.

Bernard Larsson, 1939 in Hamburg geboren, den es nach eigenen Worten „aus der bundesrepublikanischen Enge“ weggetrieben hatte ins kosmopolitische Paris, arbeitet Anfang der 1960er Jahre als Fotoassistent und fotografiert nebenher für die Modezeitschrift Vogue. Als ihn 1961 die Nachricht vom Berliner Mauerbau trifft, sieht Larsson die Ereignisse im „global-politischen Zusammenhang“, sprich Kalter Krieg. Es zieht ihn in die geteilte Stadt, um sich selbst ein Bild zu machen, und so fotografiert er Prominente und Politiker, und vor allem die „kleinen Leute“ und ihren Alltag auf den Straßen in beiden Teilen Berlins.

Larsson gelingt es dabei, die besondere Situation Berlins, ein Stück Zeitgeschichte einzufangen, und auch den „Puls der Großstadt“, ihre Härte und Dynamik. Er porträtiert DDR-Künstler und „Remigranten“ wie Anna Seghers, Wolf Biermann und Helene Weigel (die beim wohl eher zufälligen Shooting vor dem Brecht-Haus nicht amüsiert gewesen sein soll). Er macht ein Doppelporträt der bundesdeutschen Politiker Ludwig Erhardt und Willy Brandt, er bildet den Schah-Besuch ab, den 1. Mai in Ostberlin („Kampftag des Arbeiterklasse“), die Studentenunruhen in Westberlin. Er fotografiert Pop-Ikonen wie Frank Zappa und Jimi Hendrix, er fotografiert maskierte Linksaktivisten und das Attentat auf Benno Ohnesorg.

Larssons Berlin-Bilder enden mit dem Beginn der Studentenbewegung. Ergänzt werden sie durch Aufnahmen aus anderen „Ostblock“-Metropolen wie Warschau, Prag, Budapest. Die im Vergleich zur spröden Preußenstadt exotisch wirkenden Bilder aus Marokko und Franco-Spanien sind ohne Zweifel spannende Zeitdokumente, die aber bei dieser Auswahl nicht unbedingt dabei sein müssten. Denn das Berlin der 1960er Jahre hat hier das Sagen.

erschienen auf Red Carpet Reports 

Foto: Wolliner/Ecke Bernauer Straße, Westberlin, 1962 © bpk, Kunstbibliothek / Staatliche Museen zu Berlin BERNARD LARSSON

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