The Sound of a City

Die Berliner Ausstellung zeigt die großartige Lebendigkeit der Stadt New Orleans

von Jana Sittnick

Sex liegt in der Luft. In einer überfüllten Tanzhalle steht ein Podest mit DJ, MC und einer Handvoll Tanzenden. Sie schütteln, was sie haben, wie in turbobeschleunigter Trance: Beine, Hüften, Hintern, vor allem Hintern, Hintern, Hintern. Das Publikum, zum großen Teil weiblich, schüttelt mit, zu HipHop und Electrobeats, der Zeremonienmeister ist „Big Freedia Queen Diva“, „Bounce“ – Königin der Stadt.

Der Musiker und Performance-Künstler Big Freedia (Freddie Ross) hat den expliziten Tanzstil, der seit den frühen 90ern zur HipHop – Kultur Louisianas gehört, bekannt gemacht. Gemeinsam mit ihren „Booty Dancers“ performt Freedia seit Jahren „Bounce“ als Spielart des Southern HipHop und den Arschwackeltanz dazu, das „Twerking“. Bounce-Parties in New Orleans sind wie Techno-Clubs in Berlin: Sie stiften Identität und stehen für ausgeprägte Feierfreude. 

Und gefeiert wird viel im Süden, so erzählt es die gelungene Ausstellung „New Orleans. The Sound of a City“. Die einstige Südstaatenmetropole, Hochburg des Sklavenhandels und spätere „Wiege des Jazz“ wird hier in vielen Details dargestellt: Von den Spuren der französischen Kolonialzeit im „French Quarter“, dem Einfluss afrikanischer Rhythmen und Rituale, über die Entwicklung der einzigartigen Jazz-Szene mit Ikonen wie Ellis Marsalis, Fats Domino oder Irvin Mayfield bis zu lokalen Musikstilen des Zydeco, Cajun und Bounce und den Mardi Gras Umzügen wird ein großer bunter Bogen geschlagen. Der auch den Hurrikan „Katrina“ und seine Folgen thematisch mit einschließt.

Zu sehen sind Fotografien, Videos und Objekte: Handgenähte, originale Karnevalskostüme wie die „Indian Suits“ mit Federn und Perlen, die traditionell zum Mardi Gras getragen werden, Voodoo-Altäre, kreolisches Gewürze, Gitarren, Trompeten und Schallplatten, u.a. von Mahalia Jackson, Fats Domino und Louis Armstrong. Armstrong, aufgewachsen in New Orleans, startete seine Karriere im Rotlichtviertel Storyville, das die einzige Aufrittsmöglichkeit für farbige Jazzmusiker bot. Die Subkultur florierte in der Halbwelt von Storyville, bis zu dessen Schließung im Jahre 1917 (wegen „Erregung öffentlichen Ärgernisses“). Die Musiker zogen weiter, der Jazz kam in den Rest der Welt.

Die Traditionen und Bräuche, erfährt man, sind der mächtige Stoff, der die Menschen in New Orleans zusammenhält. Als es nach den Verwüstungen von „Katrina“ 2005 zu lange dauerte bis Regierungshilfe kam, und vieles verloren schien, waren es auch die spontan organisierten Konzerte und Dancehalls, die Mut machten. Und Jazz ist lebendig, so spielen Brass Bands auf den Straßen New Orleans´ zu großen Beerdigungen, den „Jazz Funerals“, mehrere Tausend Menschen nehmen daran teil. Sie laufen in der „Second Line“, der zweiten Linie, abgesetzt von der „First Line“ mit den Angehörigen der Verstorbenen. Der Trauerzug wird – für Momente – zum Zug der Tanzenden.

logo_dummy         ©Jana Sittnick 2015 / WEBLINK Red Carpet Reports

(Artikelbild: Jazz Funeral,  Michael P. Smith ©The Historic New Orleans Collection)

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