Die Gruppenausstellung „Muhammad Ali“ zeigt Fotos aus 20 Jahren Box-Karriere
von Jana Sittnick
Auf den ersten, flüchtigen Blick sieht es nach einem Pool aus, in den es sich an diesen heißen Tagen gut eintauchen ließe. Doch das Himmel-Wasserblau täuscht: Es ist die leuchtend blaue Matte im Boxring, aufgenommen aus der Vogelperspektive. Man schaut von ganz oben auf das Geschehen herab – mit zwei Kämpfern in kurzen Hosen, Kampfrichtern und Publikum.
„Muhammad Ali knocks out Cleveland Williams, Houston 1966” von Neil Leifer ist eine der wenigen Farbaufnahmen in der neu eröffneten Ausstellung der Berliner Galerie CAMERA WORK. „Muhammad Ali“ heißt sie. Das ist schlicht und schlau, denn der Name des berühmtesten Boxers aller Zeiten ist Marke genug, da muss nicht noch ein Titel her. Das weiß auch Henry Maske, der am tropisch heißen Freitagabend in seiner Eröffnungsrede die Verdienste Alis würdigt.
Auf mehr als 70 Fotografien ist Muhammad Ali alias Cassius Clay nun in Berlin zu sehen, aufgenommen zwischen 1960 und 1980, den Jahren seiner Profisportkarriere. Die Liste seiner Fotografen ist ungefähr so lang wie die seiner Boxerfolge: Elliott Erwitt, Volker Hinz, Neil Leifer, Steve Schapiro, Albert Watson und Thomas Hoepker sind u.a. darauf zu finden. Der Deutsche Thomas Hoepker, selbst anwesend, posiert gut gelaunt vor seiner Arbeit „Muhammad Ali, Jumping“, aufgenommen 1966 in Chicago.
Der Champion springt mit schwarzer Anzughose und nacktem Oberköper in den Himmel hinein, die Arme hoch- und die Augen aufgerissen, hinter ihm die Skyline der Stadt. Hoepker hat den Boxer seit seinem ersten Sieg bei den Olympischen Sommerspielen in Rom 1960 mehrfach begleitet: Dem eleganten und exzentrischen Medienstar, der sich mit Muskelposen und Ego-Sprüchen zu inszenieren weiß, setzt der Fotograf den verbissenen Sportler entgegen. Diese Trainingsbilder beeindrucken durch ihre intensive, dichte Erzählung: Sie zeigen, wie der Sportler zum Star wurde, sie zeigen seine Hingabe an den Schmerz.
Leichtfüßig dagegen die Pop-Kultur, zu deren früher Ikone Ali in den Sechzigern aufstieg. Mal sieht man Ali im schwarzen Jackett mit Ansteckrose wie einen TV-Entertainer, dann locker beim Spaziergang, dann wieder mit nacktem Oberkörper grimassierend auf der Couch. Eine Aufnahme von Harry Benson, der die Kampfbilder vom WM-Fight 1964 gegen Sonny Liston machte, zeigt Ali, damals noch Cassius Clay, mit den Beatles herumalbern („Clay hits George“). Es ist Nacht in Miami, die Lichter schwirren, und alle sind in Partystimmung.
Von formal- inhaltlicher Strenge sind die durchkomponierten „Underwater“-Trainingsbilder von Flip Schulke. Sie zeigen Clay am Anfang seiner Karriere. Auch Steve Schapiro zeigt die Anfänge: 1963 machte er mit dem 21jährigen Boxer eine Fotoserie in seiner Geburtsstadt Louisville. Und setzte mit der Abbildung afro-amerikanischer Lebenswelten nicht nur dem späteren Box-Star ein Zeichen, sondern auch der Bürgerrechtsbewegung in den USA.
©Jana Sittnick 2015 / WEBLINK Red Carpet Reports
(Bild: Boxhandschuhe Muhammad Ali, (c) René Duvinage)