Canzus Handy

Canzus Handy

Plötzlich war Canzus Handy weg. Ihr teures iphone, einfach weg, sie hatte es doch gerade noch in der Hand gehabt. Helle Aufregung, Julia und Tabata fragten besorgt, wo sie es zuletzt gehabt haben konnte, Canzu wusste es nicht mehr, sie war nach fünf Minuten intensiver Suche total aufgelöst, zu keinem klaren Gedanken mehr fähig. Julia nahm entschlossen Anteil am Leiden der Praktikantin, und nutzte die Gelegenheit für eine Anekdote aus ihrem abenteuerlichen Leben: Einmal war sie als Model bei einem Foto-Shooting in München, und sie hatte zwischendurch telefoniert, und das Handy auf den Tisch gelegt, und dann war sie nur ganz kurz mal aus dem Raum raus, und als sie wiederkam, war das Handy weg.

Und sie, Julia, könnte schwören, dass nur eine einzige Person es genommen haben könnte, die Cousine des Fotografen, und Julia glaubt bis heute, dass die es hat. Sie hat das Mädchen gefragt, die hat nur mit den Schultern gezuckt, hat Julia mit ihren chirurgisch optimierten Zähnen praktisch auf Granit beißen lassen, da kann man nichts machen. Das Handy war weg, doch Julia sagte nichts, denn, hey, wenn sie, Julia, ein Fass aufgemacht und zum Fotografen gerannt wäre, dann hätte das gar nichts gebracht. Das Shooting wär ruiniert und der Job dahin gewesen, sie hätte kein Handy bekommen und kein Honorar, und wär auch noch auf den Fahrtkosten sitzen geblieben. So war sie ihr Handy los, und hatte wenigstens das Geld. Den Fotografen und seine Bitch-Cousine hat sie nie wieder gesehen.

Zurück zu Canzu. Mittlerweile suchten Seyman, Julia, Tabata, die Jungs aus dem Call Center und Moritz, der Team Lead, mit. Das Handy anzurufen, brachte nichts, weil sie es auf stumm gestellt hatte. Vibrationsalarm sei besser, steuerte Moritz der Debatte bei. Dann kam Chef Robert in den Raum und befahl: Alle Computerbildschirme ausmachen, das Licht ausschalten, die Jalousien runter lassen, Canzus Nummer anrufen und gucken, ob irgendwo ein Display aufleuchtet. Und – es leuchtete! Am Garderobenhaken, in Moritz Jacke, in der äußeren Ärmeltasche, Canzu hatte das Gerät versehentlich dorthin gesteckt, weil sie dachte, es wäre ihre Jacke. Als alles wieder gut war, flennte Canzu erleichtert los, das hübsche Make-up, das sie sich morgens mit viel Mühe aufgemalt hatte, verschmierte. Canzu hatte es nicht leicht, immerhin war sie Praktikantin. Doch die anderen im Online-Marketing hielten zu ihr, beim iphone hörte der Spaß nun mal auf, war doch klar.

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©Jana Sittnick 2013