Berlin-Mitte, U-Bahn Richtung Alexanderplatz. Am Eingang drängeln betagte Italiener, weiter hinten ist viel Platz. Ich gehe zur anderen Ecke, da sind nur ein Mann und eine Frau um die 40, mit Vornekurzhintenlang-Frisur und kariertem Hemd (Mann), sowie Dauerwelle und Großdruck-T-Shirt (Frau). An der Station Klosterstraße sagt die Frau mit sächsischem Ton „Aber nächste müssen wir raus!“, der Mann guckt weg. Sie geht schon mal zur Tür. In der Spiegelung der Türscheiben sehe ich ihr Gesicht: Blass sieht sie aus und verkniffen.
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Alexanderplatz
Menschen, Buden, Flaschensammler. Familien aus Brandenburg beim Erlebniskauf, Vater-Mutter-Kind, kräftige Waden und was Kariertes drüber. Mutti färbt Strähnchen neu, Vati geht zu Media Markt, danach gibt’s Eis. Teenager im Primark-Rausch tragen Papiertüten mit 3-Euro-Shirts herum. Sale ist überall, alles muss raus. Man kreischt und brüllt auf dem Alex, Bumstechno dröhnt aus der Bar mit den Kunstpalmen, und Jahrmarktsbuden sind da und Stelzenläufer und Pantomimen, Skater und Bungee Jumper und House Runner. B-Boys drehen Headspins, Kanadier spielen Gitarre, Penner trinken Bier.
Traum II
Ich träume, ich gehe an einem Sommertag im Wald spazieren, als plötzlich eine sehr groß gewachsene Familie – Vater, Mutter, Sohn und Tochter – meinen Weg kreuzt (ich meine, eine RICHTIG große Familie, Riesen!). Wir grüßen uns, wobei ich stark den Kopf in den Nacken legen muss, um sie anzusehen. Meine Manieren gebieten mir, keine Miene zu verziehen bei dem ungewöhnlichen Anblick, und auch sonst keine Mätzchen zu machen. Im Vorbeigehen sehe ich, dass die Tochter eine Echse an der Leine führt.
Holzmarkt
Wir hocken am Wasser mit Bierflaschen in der Hand, die Sonne knallt. Die anderen finden Holzmarkt (Ex-Bar 25 und Ex-Kater Holzig) blöd, vor allem L., der selbst einen Kater hat wegen Besäufnis am Vorabend, und schlechte Laune. Die anderen kennen Bar 25 nicht, den Spielplatz der Elektro- Bohème. Ich wollte es ihnen zeigen. Doch er ist nicht zu finden, der schrullige Charme des Ortes, der einlud, jeden Tag das Leben als Karneval zu feiern. Abenteuerland ist jetzt Baustelle, mit Sitzmöbeln vom Sperrmüll, in der Mitte thront eine Bretterbude, in der Bier verkauft wird. Es ist heiß und staubig, die Plätze am Wasser sind besetzt, wir hocken zwischen Kübeln mit vertrockneten Pflanzen. Holzmarkt ist nicht Bar 25, ich bin untröstlich.
RAW
Wir laufen am Berghain vorbei und durchqueren eine der vielen Stadtbrachen, die es in Friedrichshain noch gibt. Leute sitzen im Gras und kiffen. Vor dem RAW Gelände drängeln wir uns an Partytouristen, Drogendealern und Säufern vorbei. Wir haben Hunger, und steuern den Wunschort meiner Freunde an. Es ist ein Punk-Imbiss, mit veganem Essen und verpissten Toiletten. Rage against the machine dröhnt aus den Boxen. Männer mit weiten Ohrlöchern nehmen die Bestellung auf, bezahlt wird gleich am Tresen und nicht für die Beratung. Welches Dressing dabei ist, frage ich, steht doch alles oben an der Tafel, sagt der Mann. Ich entschuldige mich, nehme mein Bier und gebe Trinkgeld.
Traum I
Sie träumt sich als Kind: Wie sie im Sommergras liegt, zwischen Blumen und Unkraut, alles kitzelt und piekt. Sie blinzelt in die Sonne, kaut Löwenzahn und rupft an den Butterblumen. Milchige Flüssigkeit tropft aus dem Stengel, sie verreibt sie auf der Haut, Käfer krabbeln an ihren Armen entlang. Beim Pusteblumen-Pusten schließt sie die Augen.
Woltersdorf – Style
Der rüstige Rentner am Kranichberg stellt uns ein Wanderdiplom aus. Er trägt einen Ohrring und zwinkert mir zu. Im Dorf trinken wir Bier am Kiosk. Hochzeitsgäste kommen, steuern das schicke Nachbarlokal an, drei Raketen knallen. Das Lokal ist noch nicht fertig, missmutig schiebt der Kellner die Terrassentische zusammen, die Gäste müssen warten. Zwischen Café und Bootsanlegestelle bemerken wir einen Laden mit altem Musikkram: Tonbandgeräte, Bandposter, Vinylplatten. In der Mitte des staubigen Schaufensters grüßt unerwartet „Happy Birthday“ von Modeselektor. Der Ausflugsdampfer setzt eine Seniorengruppe ab. Die meisten tragen beige.
Männer und Maste
Samstag früh um 6 Uhr dringt merkwürdiges Grummeln von der Straße her. Drei junge Männer reden englisch, laut grummelnd, sind wohl betrunken. Sie grölen nicht mal, grummeln nur. Die Männer sind dürr wie Zaunlatten und tragen Bärte, einer hat eine Piloten-Sonnenbrille auf. Die Männer schwanken und umklammern ihre Bierflaschen wie Schiffsmaste auf stürmischer See.
Spreeschön
Oberbaumbrücke, am Ende eines heißen Tages. Donner kracht, dann regnet es in Strömen. Unter dem Brückenbogen singt eine Frau mit glockenklarer Stimme englische Folksongs. Sie ist barfuß, blondgelockt und spielt Harfe. Auf der Brücke stinkt es nach Urin, doch sie ist unantastbar, mit ihrem Engelshaar und ihrer Harfe und ihrem Verstärker. M. sagt, dass er das jetzt sehr schön findet. Ich finde M. schön, den Engelsgesang, die Spree, die Stadt.
Feierabend I
Der Mann will raus. Die Schranke öffnet sich nicht, obwohl er seine Chip-Karte mehrmals vor den Sensor hält. Der Mann ist um die 50, klein, kräftig und in kompletter Fahrrad-Montur (Neonweste mit Signalstreifen, Helm, Sichtschutz-Brille). Und jetzt hat er die Schnauze voll von der Elektronik, die nicht funktioniert und ihm seine Lebenszeit raubt. Er duckt sich schnell und geschmeidig unter der Schranke hindurch, und zieht sein Rad hinterher, als wär es aus Papier. Brüllend kommt der Werkschutzmitarbeiter aus seiner Wärterloge gelaufen. Ob er bekloppt sei, schnauzt er den Fahrradmann an, was das für eine Scheiße sei. Selber Scheiße, brüllt der zurück, Schnauze voll, nichts funktioniert, immer das gleiche. Schwingt sich auf sein Rad und fährt davon, mitten im Gebrüll.