Die Focacceria in Mitte. Früher ein kleiner Punk-Pizza-Laden mit Selbstbedienung. Die Rechteck-Pizzen landeten ofenfrisch hinter dem Tresen aus Plexiglas, wurden in Stücke geschnitten und direkt verkauft. Es war günstig, laut und lecker, man stand oft Schlange und füllte das Glas Wein direkt vom Fass ab. Im Sommer saß man draußen und guckte auf den Park. Tätowierte Italiener jobbten hier, Australier, Israelis, Tschechen. Rustikal eben. Nach ein paar Monaten waren sie wieder weg. Deutsch konnten sie kaum.
Heute ist der Laden ausgebaut: Platz für große Gruppen, Papierdecken auf den Tischen, Kitsch an den Wänden. Das Personal rotiert um eine Riesenbestellung zum Mitnehmen. Zwei tätowierte Frauen mit dunklen Augenringen schneiden die Pizza und packen sie in Kartons. Ihr Kajal ist verwischt, der Nagellack abgeblättert, sie sehen aus, als hätten sie lange nicht geschlafen. Cazzo, stronzo, flucht die eine, als jemand seine angebrannte Pizza reklamiert. Wütend schmeißt sie das Stück in den Müll. Von CD läuft Gianna Nannini.
Ich frage nach Wein, und die Fluchende stellt mir eine Karaffe hin. Kurze Zeit später ruft sie vom Handy einen Medico an. Sie sieht wirklich nicht gut aus. Nachdem alle Pizzen raus und die Arzt-Termine gemacht sind, bekomme ich endlich zwei Gläser. Ich frage auf Englisch, ob sie jetzt wieder gute Laune habe. Sie braucht einen Moment, bis sie mich versteht, dann guckt sie wie eine Löwin auf dem Sprung, sagt aber nichts. Beim Bezahlen gebe ich viel Trinkgeld, ich habe ein bisschen Angst vor ihr. Sie schaut an mir vorbei in den Regen.

