Kuchen und Klapphandy

klapphandy

Im Bistro am Hauptbahnhof ist es knackend voll. Menschen mit Rollkoffern vertreiben sich ihre Wartezeit mit Kaffee und Kuchen. A. und ich haben Glück: Nach kurzem Suchen finden wir zwei Plätze in der Ecke vor dem Klo. Der Sitz ist winzig und der Abstand zum Nebentisch so schmal, dass wir jedes Wort hören: Ein Mann und eine Frau, um die Dreißig, unterhalten sich über Off-Theater und über eine Veranstaltung am Abend, zu der der Mann nicht mitkommen will, weil er nicht eingeladen wurde. Er spricht sehr ernst über die Dinge in seinem Leben und die Unmöglichkeit, damit Geld zu verdienen, sein Deutsch hat einen nordischen Akzent (dänisch, schwedisch?). Die Frau (deren dunkel-samtige Stimme in Kontrast zu ihrer zierlichen Statur steht) versucht ihn vom Mitkommen zu überzeugen, doch er bleibt stur. Nach einem tieftonigen hmm verstummt sie. Die beiden gehen sehr vorsichtig miteinander um, so, als wären sie aus dünnwandigem Porzellan und wüssten um ihre Zerbrechlichkeit. Dann klingelt ein Telefon. Die Frau entschuldigt sich, kramt in der Tasche und zieht schließlich ein Klapphandy in Metallic-Rot hervor. So ein old school Handy – wie es in den 2000er Jahren fast überall en vogue war, um kurz darauf vollends von der Bildfläche zu verschwinden. Ich freue mich über das Oldie-Design und seine Unschuld (nur telefonieren!), und denke laut darüber nach, mir auch eins anzuschaffen. Um durch Technik-Verzicht meine Privatsphäre zu retten. Meine Begleitung verdreht nur die Augen und sagt: „Ja ja Unschuld, vielleicht wirst du einfach nur alt.“

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