Schlagwort-Archiv: Disco

Damenbinden bei EDEKA

Kirschen und Binden bei EDEKA

Sommerbild mit M.: Wir treffen uns vor EDEKA um Bier zu kaufen. Später werden wir im Park auf einer Bank sitzen, reden, lachen und küssen. Draußen ist laue Dämmerung, in mir leuchten Diskokugeln, und nach außen gebe ich mich cool. Bei den Hygieneartikeln macht M. plötzlich Halt, zieht mich zu sich und zeigt auf einen Stapel mit Damenbinden-Packungen im Trend-Design (neon-gelbe und rosa Punkte auf schwarzem Untergrund). – Die leuchten auch im Dunkeln, sagt er. Ich lege meinen Kopf an seine Schulter, matt und froh. – Der Spruch ist von mir, sage ich. – Ja, sagt M.

Disco Diva in Marzahn

marzahn

Meine beste Freundin in der 7. Klasse hieß Anja Michalik. Sie wohnte wie ich im Neubaugebiet Marzahn und besuchte die Polytechnische Oberschule K.E. Ziolkowski, benannt nach dem russischen Raumfahrt-Pionier. Anjas Vater war beim Zoll und die Mutter Ingenieurin. Die Eltern arbeiteten Vollzeit, Anjas Bruder war bei der Armee, die Schwester in Dresden – und so hatte Anja nachmittags sturmfreie Bude, die wir für unsere heimliche Leidenschaft nutzten: das modische Frisieren. Nach Bildern aus der Popcorn oder Bravo kämmten, bürsteten, toupierten, flochten, drehten und sprayten wir mit Hingabe unsere Haare. Wenn kein West-Magazin da war, frisierten wir aus dem Kopf. Mal sahen wir aus wie Madonna, Kim Wilde oder Sandra, mal wie Limahl, Worf oder Counselor Troi aus Star Trek. Dazu trugen wir hellblauen Lidschatten und Lipgloss und tanzten nach Duran Duran, die ich auf Kassette hatte. Anjas klobige Kommode mit Spiegel und den seitlich aufgeschraubten Glühbirnen sorgte für den nötigen Glamour. War ein Frisurengang durch, bewerteten wir ihn und begannen dann von vorn; waschen, föhnen, legen, schminken, tanzen. Die Stunden flogen wie im Rausch dahin, wir waren backstage am Broadway, in Hollywood oder in einer Flugkapsel, wir waren Disco Queen, Räuberin, Superheldin. Mit jedem neuen Styling drangen wir tiefer in das Dickicht vor und vergrößerten den Abstand zwischen uns und der Welt.

Discount – Disco

wedding street art

Wedding, Gerichtstraße: Morgens um halb neun schon eine lange Schlange. Alte Leute haben Zeit, sagt der Volksmund. Einer – groß, schlank, nach hinten gelegtes Haar – will reden. Mit öliger Stimme erzählt er der Kassiererin vom Supermarkt in der Müllerstraße, wo eine Mitarbeiterin zwar noch „janz jut aussieht“, aber „wat mit die Nerven“ hat, „keen Wunda“. Er redet und redet, statt seinen Einkauf einzupacken, es geht nicht weiter. Der Mann hinter ihm will die Brötchentüte nachschieben, um auch mal dranzukommen, da sagt der Ölige frech „wat machst DU denn, du bist noch jar nich dran!“ Die Frau vor mir dreht sich um, macht eine Handbewegung Richtung „Macke“, und sagt, dass „der dit seinem Schrank erzählen“ soll, ich muss lachen. Guten Morgen, Berlin.

(Bild: Street Art in Wedding, Gerichtstraße)