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Wedding Zirkusdirektor

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Es lebte einmal ein Zirkusdirektor, der schlief schlecht und schwitzte stark. Der Direktor bekam Geld vom Staat und Tabletten vom Psychologen und führte seinen Zirkus wie ein Königreich. Seine Mitarbeiter bewegte er wie die Ponys in der Manege, sanft aber bestimmt, je nach Vorteil und Laune. Vor der Presse (die seinen Zirkus gut fand, weil „witzig und unverfälscht“ ) betonte der Direktor, dass er 50 Menschen Arbeit geben könne (und zählte im Kopf die Schwarzjobs dazu); im Team sprach er von einer „großen Familie“, in der jeder so gut sei wie der andere. Seinen Günstlingen machte der Direktor Geschenke, als Dank für ihre Loyalität,  Widerspruch duldete er nicht. — TBC

Kaffee am Ku´damm

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P. ist Maler und Gourmet: Während er die Wände im Naturton Cotto anstreicht, gesteht er, „nur noch an zwei Orten in Berlin“ Kaffee zu trinken, woanders schmecke es ihm einfach nicht. Das ist am Ku´damm (der Betreiber ist ein Freund), und im Sprengelkiez (der Betreiber mahlt jede Portion Kaffee mit der Hand). Man müsse schon auf sich achten, meint P. Oh Mann, denke ich. Mir fällt ein Spruch ein, an einer Hauswand in Friedrichshain: „Das Leben ist zu kurz für schlechten Kaffee!“ Ob P.s Kaffee-Mafia dahinter steckt?

Discount – Disco

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Wedding, Gerichtstraße: Morgens um halb neun schon eine lange Schlange. Alte Leute haben Zeit, sagt der Volksmund. Einer – groß, schlank, nach hinten gelegtes Haar – will reden. Mit öliger Stimme erzählt er der Kassiererin vom Supermarkt in der Müllerstraße, wo eine Mitarbeiterin zwar noch „janz jut aussieht“, aber „wat mit die Nerven“ hat, „keen Wunda“. Er redet und redet, statt seinen Einkauf einzupacken, es geht nicht weiter. Der Mann hinter ihm will die Brötchentüte nachschieben, um auch mal dranzukommen, da sagt der Ölige frech „wat machst DU denn, du bist noch jar nich dran!“ Die Frau vor mir dreht sich um, macht eine Handbewegung Richtung „Macke“, und sagt, dass „der dit seinem Schrank erzählen“ soll, ich muss lachen. Guten Morgen, Berlin.

(Bild: Street Art in Wedding, Gerichtstraße)

Wedding – Frau mit Hund

U-Bahnhof Wedding. Beim Aussteigen eine Wand von blauen Anoraks. BVG und Polizei kesseln Passanten ein, niemand soll entkommen. Wir zeigen artig unsere Fahrausweise. Da, rote Jacke, ruft eine BVG-Frau, es kommt zum Tumult, die blauen Anoraks visieren ihr Ziel. Eine junge Frau ohne Fahrschein, Mitte 20, kurze Haare, kräftige Statur, hat ihren Hund im Arm, krümmt sich über den Körper des Tieres. Sie will es nicht hergeben, von vier Seiten zerrt man an ihr. Die Frau sagt nichts, ihr Blick ist starr, ihr Kampf ist aussichtlos. Nach einigen Sekunden trennt man den Hund von der Frau, bringt ihn abseits. Das Tier fiept leise, die Frau schaut stumm auf einen fernen Punkt.

Wedding – Dart

 Abends die Strecke gelaufen, am Humboldthain vorbei, die Hussitenstraße hinab, bis zur Ackerstraße. Hier, im oberen Teil, ist Wedding, trash living, ein kleiner EDEKA in Flachbauriegel, Sozialbau, davor eine Gruppe von Trinkern, mit Bierflaschen in der Hand. Einer sagt mit heiserer Stimme, Kalle sei ein Arschloch, für den mache er GAR NICHTS mehr. Der Edeka ist verdreckt, das Kühlregal taut vor sich hin, die Frau hinter der Fleischtheke sieht mitgenommen aus. Schrippen liegen in einer Plastikschale, die auf dem Boden steht. Ich gehe hinaus und an dem Flachbau vorbei, darin eine Dart-Kneipe. Durch die Fensterscheibe sehe ich, wie ein Mädchen mit langen schwarzen Haaren Billard spielt, ernst und anmutig.