Schlagwort-Archiv: Glück

Susi, Tiaré und Amber

Pappeln im Abendrot

Es war ein grauer Wintertag, an dem die betonierte Wolkendecke nicht aufreißen wollte, und seit dem frühen Morgen war Susi schlecht gelaunt. Es war ihr freier Tag, sie hätte ausschlafen können, doch die Geräusche der Straßenbahn weckten sie schon kurz vor sieben. Sie hatte Glück, denn sie musste heute weder Mikes schlappe Witze noch Silvias blödes Gekicher anhören und sich auch keine Online-Kurztexte für die Schnäppchenreise nach Venedig oder den Pizza-Rabatt für Gruppen ausdenken. Das war schon was. Doch es schien keine Sonne, und Susie wusste nichts mit sich anzufangen. Anne war mit den Kindern im Spieleparadies, Doro hatte Spätschicht, Udo war auf unbestimmte Zeit in Portugal. Ach ja, und Peter sprach mal wieder nicht mit ihr, die Zicke, weil sie ihn beim Schnäpse-Zocken auf seinen aktuellen Lover angesprochen hatte (der sich schon wieder aus dem Staub gemacht hatte, was Susi aber nicht wusste). Er war auch immer so schnell eingeschnappt, der Peter! Vielleicht hatte sie auch was Blödes zu ihm gesagt, es waren viele Schnäpse gewesen letzten Samstag, so ganz genau konnte Susi sich nicht mehr erinnern. Sie putzte die Zähne, zog den Steppmantel über Jogginghose und Schlabbershirt und ging auf die Straße. Sie sah niemanden an. In ihrer schlechten Laune ertrug sie weder die Welt, noch die Leute um sich herum, und sich selbst am allerwenigsten. Mit ihrem Depri schaffte sie es immerhin bis zur Drogerie. Dort entdeckte sie ein exotisch duftendes Duschbad – Tiaré & Amber stand auf dem Etikett. Die Packung kostete 89 Cent. Das ist sicher mit Original-Zutaten, bei dem Preis, dachte Susi amüsiert, und nahm noch Haaröl und Nagellack dazu. Sie spürte, wie ihre Lebensgeister allmählich zurückkehrten.

Schweine in Tegel

schweinchen

Glück im Tegeler Forst: Goldenes Herbstlicht, Wildschweinbabys und Wochenende. Die vor kurzem zur Welt gekommenen Frischlinge zeigen ihr hellbraun-weiß gestreiftes Fell, niedliche Knopfaugen und Schnauzen, die an Mini-Steckdosen erinnern. Sie stoßen sie in die Luft und schnüffeln. Kinder quietschen vor Freude, Erwachsene machen Handy-Videos. Wir stecken unseren Wildschwein-Snack, rohe Spaghetti, behutsam durch die Zaunmaschen, locken aber nur die erwachsenen Tiere an. Wuchtige, schwarzbraune Schädel mit Riesenhauern, schmale Hinterbacken. Ein Wunder, dass sie nicht vornüber fallen. Ihr Quieken ist ohrenbetäubend. Die Babyschweine nehmen ein Sonnenbad und suhlen sich im Sand. Sie ignorieren uns komplett.

Wedding – Frau mit Hund

U-Bahnhof Wedding. Beim Aussteigen eine Wand von blauen Anoraks. BVG und Polizei kesseln Passanten ein, niemand soll entkommen. Wir zeigen artig unsere Fahrausweise. Da, rote Jacke, ruft eine BVG-Frau, es kommt zum Tumult, die blauen Anoraks visieren ihr Ziel. Eine junge Frau ohne Fahrschein, Mitte 20, kurze Haare, kräftige Statur, hat ihren Hund im Arm, krümmt sich über den Körper des Tieres. Sie will es nicht hergeben, von vier Seiten zerrt man an ihr. Die Frau sagt nichts, ihr Blick ist starr, ihr Kampf ist aussichtlos. Nach einigen Sekunden trennt man den Hund von der Frau, bringt ihn abseits. Das Tier fiept leise, die Frau schaut stumm auf einen fernen Punkt.