Frau M. lädt zum Minigolf. Die Sonne scheint, wir lochen barfuß ein und trinken Limonade. Frau M. erläutert mir die Möglichkeit der Liebe. Ihrer Ansicht nach sollte die Frau nicht den Anfang machen, die Anbahnung sei Sache des Mannes. „Wenn die Frau zu viel forciert, kann die Liebe nicht frei fließen“, sagt Frau M. und guckt mich an. Ich fühle mich sofort schuldig, obwohl ich gar nichts forciert habe. Frau M. meint es wohl gut mit mir. Sie sagt: „Man kann im Leben nur EINEN Menschen wirklich lieben.“ – „Und was, wenn die eine große Liebe stirbt?!“, begehre ich auf. So viel Schicksal lasse ich mir nicht bieten. Frau M. bleibt hart. „Dann kann man später noch gute Zeiten haben, aber die große Liebe ist es nicht.“ Ich habe da meine Bedenken. Frau M. ist seit mehr als 20 Jahren mit einem Mann zusammen, der sie eifersüchtig überwacht, der nicht will, dass sie ihr Studium fortsetzt, der sie manchmal im Familienbetrieb arbeiten lässt, ohne zu bezahlen. Frau M. läuft gern zu Fuß durch die Stadt, das macht sie froh. Ihr Mann aber droht ihr mit Gewalt, falls sie ihn verlassen sollte. Ich sage nichts dazu. Beim Minigolf sieht Frau M. seit langem wieder einmal fröhlich aus. Nach dem Spiel trinken wir selbstgebrannten kroatischen Walnusslikör.
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Gropiusstadt: CampDavid
Neulich erzählte mir M. von Gropiusstadt in den 90ern, und dem Camp David Trend. Als die Proll-Marke in der Platte aufkam, liefen viele Jungs ganz stolz in den Klamotten rum, vor allem samstags in der Disko. Für M. waren das „Blödmänner in Scheißklamotten“, die aber teuer waren. Deswegen taugten sie zum Statussymbol. Wir lachten, und ich stellte mir blonde Cheerleaderinnen vor, die Cola-Rum trinken mit Camp David Hengsten. Ein paar Tage später sehe ich in Prenzlauer Berg einen Mann mit Camp David Jacke. Dazu trägt er Stone-Washed-Jeans und Basecap, sein graues Gesicht ist eingefallen, er hat Mühe, sich zu halten. Es ist Sonntagvormittag, ich warte auf die Bahn, der Mann, Mitte Vierzig, wankt auf mich zu. Wahrscheinlich auf Drogen, denke ich, und wende den Blick ab, will nicht angesprochen werden. Doch er hat mich ins Visier genommen. Ob ich wüsste, wie viele Stationen es bis Paul-Heye Straße seien, ich gebe mir Mühe und zähle drei. Er bedankt sich, und meint, nach dem Insulinspritzen sei es schwer mit der Orientierung, ein Glück, dass es nicht weit sei. Ich nicke, denke Scheiß auf die Klamotten. Die Bahn kommt.
Wedding – Frau mit Hund
U-Bahnhof Wedding. Beim Aussteigen eine Wand von blauen Anoraks. BVG und Polizei kesseln Passanten ein, niemand soll entkommen. Wir zeigen artig unsere Fahrausweise. Da, rote Jacke, ruft eine BVG-Frau, es kommt zum Tumult, die blauen Anoraks visieren ihr Ziel. Eine junge Frau ohne Fahrschein, Mitte 20, kurze Haare, kräftige Statur, hat ihren Hund im Arm, krümmt sich über den Körper des Tieres. Sie will es nicht hergeben, von vier Seiten zerrt man an ihr. Die Frau sagt nichts, ihr Blick ist starr, ihr Kampf ist aussichtlos. Nach einigen Sekunden trennt man den Hund von der Frau, bringt ihn abseits. Das Tier fiept leise, die Frau schaut stumm auf einen fernen Punkt.