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Kreuzberg – Katrin

Katrin war verrückt, sagten die, die sie näher kannten. Als 15jährige hatte sie einen schweren Autounfall gehabt, der ihr Nervenzentrum beschädigt hatte. Man sagte, es sei ein Wunder, dass sie überlebt hatte, mit schleifendem Gang, die Glieder verrenkt, die Sprache undeutlich. Katrin kam im Sommer oft in die kleine Bar, diesen Open Air Spielplatz für Partyleute. Die Betreiber nannten ihn stolz Biergarten, aber das traf es nicht, zwar sitzte man draußen, auf Holzbänken und trank Bier, unter den Füßen Kieselsteine, über dem Kopf die Blätter alter Kastanien. Der Ort zwischen Mitte und Kreuzberg hatte seinen abgerissenen, ronzigen Charme. Berliner Anti-Schick, wenn man so will, alle mochten das in dem Sommer, die alten Techno-Hasen, die Nimmersatten, die Immerjungen, und – of course – die Party –  Touristen aus Dänemark, Holland, Italien. Doch zurück zu Katrin…

Kreuzberg

Der kleine alte Mann läuft hinter mir, ruft, als ich bei Rot die Fußgängerampel überquere, dit kost fuffzich Euro! Ich reagiere erst nicht, dreh mich dann aber doch zu ihm um, als er fast schon neben mir ist und seinen Flaps-Spruch wiederholt. Wir kommen ins Gespräch, laufen gemeinsam die Wassertorstraße entlang, er ist Ende 60 und einen Kopf kleiner als ich. Er erzählt, dass er hier mal einen Fernseher herbrachte für die Kirche und nur ganz kurz hielt zum Ausladen und zack, waren die Politessen da! Haben 84 Mark kassiert. Als sich unsere Wege trennen, wünsche ich ihm alles Gute, und er sagt unvermittelt, wir haben ja unser Enkelkind hier abgegeben, und fahren jetzt wieder nach Hause, nach Charlottenburg.